Zwangsenteignung von Wohnungen: Verlieren Hausbesitzer bald ihre Immobilie?

Berlin. Die Lage auf dem deutschen Wohnungsmarkt ist angespannt. Besonders in Großstädten wird es immer schwieriger, bezahlbare Wohnungen zu finden. In Berlin wurde deshalb am 6. April ein Volksbegehren gestartet, das die Zwangsenteignung von Wohnungen in der Hauptstadt ermöglichen soll, damit diese vom Land aufgekauft werden können. Während die einen dieses Vorgehen begrüßen, protestieren andere vehement und sprechen von Sozialismus.

Die Fakten zum Volksbegehren

In Berlin wird über eine Zwangsenteignung von Wohnungen großer Konzerne debattiert.
In Berlin wird über eine Zwangsenteignung von Wohnungen großer Konzerne debattiert.

Die Debatte, ob die Zwangsenteignung von Wohnungen durchgeführt werden soll, spaltet sowohl die Politik als auch die Bevölkerung. So mancher privater Vermieter fürchtet, dass ihm bald seine Immobilie weggenommen wird. Dabei zeigt sich, dass teilweise große Fehlinformation besteht, was genau überhaupt gefordert wird.

Darum an dieser Stelle die Fakten bezüglich der angestrebten Zwangsenteignung von Wohnungen:

  • Es geht bei der Debatte nicht um private Immobilienbesitzer, sondern um große Wohnungskonzerne, die mehr als 3000 Wohnungen besitzen. Im Fokus ist hierbei die „Deutsche Wohnen und Co.“, welche bundesweit rund 163.000 Wohnungen besitzt, allein 112.000 davon in Berlin. Ihr wird insbesondere eine renditeorientierte Mietenpolitik vorgeworfen, womit sie horrende Gewinne (im Jahr 2018 waren dies 1,9 Milliarden Euro) auf Kosten der Mieter erzielt hätte. Ziel des Volksbegehrens ist es, deren Wohnungen dem privaten Markt zu entziehen und dem Land Berlin zu übereignen.
  • Die Initiative stützt sich auf Artikel 15 des Grundgesetzes, laut dem u. a. Grund und Boden durch ein entsprechendes Gesetz zum Zweck der Vergesellschaftung in Gemeineigentum überführt werden darf. Auch Artikel 14 wird bei der Debatte mehrfach herangezogen. Laut diesem sind Enteignungen nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.
  • Die Zwangsenteignung der Wohnungen soll nicht ersatzlos geschehen. Die Wohnungskonzerne erhalten eine Entschädigung, die allerdings unter dem Marktpreis der Wohnungen liegen wird.
  • Die Debatte um die Zwangsenteignung von Wohnungen wurde von besagtem Volksbegehren angestoßen, nicht von der Politik. Die LINKE fordert inzwischen eine Enteignung, nicht jedoch die Grünen, wie fälschlicherweise oft behauptet wird. Sie hielten diese Möglichkeit lediglich für „prinzipiell denkbar“, so Bundesvorsitzender Robert Habeck in einem Interview mit der „WELT am Sonntag“.

Kritik an der Initiative

Zwangsenteignung von Wohnungen: Ein Argument der Kritiker sind die hohen Kosten für das Land Berlin - und damit für die Steuerzahler.
Zwangsenteignung von Wohnungen: Ein Argument der Kritiker sind die hohen Kosten für das Land Berlin – und damit für die Steuerzahler.

Das Volksbegehren benötigt bis zum August 20.000 Unterschriften, um einen Volksentscheid herbeizuführen. Über 15.000 wurden bereits gesammelt.

Es gibt aber auch vehemente Gegner, die eine Zwangsenteignung von Wohnungen ablehnen. Ein Argument betrifft vor allem die Kosten der Vergesellschaftung: Laut Schätzungen des Senats würde es die Stadt Berlin wenigstens 28 Milliarden Euro kosten, die Wohnungen abzukaufen.

Dies müsse letztendlich aus Steuergeldern bezahlt werden, und es werden Stimmen laut, dass das Geld besser in den Bau neuer Wohnungen investiert werden solle.

Auch gibt es Bedenken, ob die Enteignungen verfassungsrechtlich tatsächlich zulässig sind, denn in der Praxis kam Artikel 15 GG noch nie zur Anwendung. Es mangelt an entsprechenden Gesetzen für die Umsetzung.

Ein weiteres Argument der Kritiker ist, dass eine Zwangsenteignung von Wohnungen private Investoren entmutigen würde, weshalb Wohnungsunternehmen weniger Neubauvorhaben anstreben könnten.

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Über den Autor

Murat Kilinc (Rechtsanwalt)
Murat Kilinc

2011 schloss Murat Kilinc sein Jura-Studium an der Uni Bremen ab. Nach seinem anschließenden Referendariat am OLG Celle und im Landgerichtsbezirk Verden, erhielt er 2014 die Zulassung als Anwalt. Seit 2018 ist er Fachanwalt für Verkehrsrecht. Daneben befasst er sich insbesondere mit dem Mietrecht.

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